Das verpasste Wunder
Nichts Wahres geschieht hier,
wenn unwirsch das Wort,
gleich dem Speichel der Viper,
lieblos fliegt von den Lippen.
Oder geschah es einmal doch,
dass wie im Dämmerlicht
einer segnend vorüberschritt,
und freudig-erschrocken riefst du:
„Bist du es, Meister?“ –
und nicht mit dem Mund,
mit dem wachen Auge senkte er
dir in die Seele den Keim?
Unter all dem Unrat und Schutt
auf dem Hinterhof eines Bordells,
wo Grünspan und Überdruss
sich an ausgeschiedenen Wassern nähren –
unter den trostlosen Schwaden des Morgenfrosts,
aus denen froschhaft es quatscht und klatscht –
unter dem festgetretenen Grind,
den Lachen, aus denen höhnisch
Neonlicht grimassiert –
sollte aufwärts er treiben,
sich schmerzlich winden ins Licht?
Ist noch die Zeit oder ward sie vergeudet,
zu tun, was getan werden muss:
auszuräumen Unrat und Ungeist,
den Boden zu lockern,
die Erde durch reinen Quell,
mit Tränen gemischt,
zu versöhnen –
und auf das Wunder zu warten,
das mit dem Anblick des Schönen beglückt,
da auch dein Mitmensch
lächelnd verweilt?