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Das Lächeln der Blinden

13.12.2024

„Du bist doch vielgewandert und beschlagen,
sahst vieler Völker Sitten, was geblüht
auf Sonneninseln, was dürrem Karst entsprossen.
Trafst du auf Menschen, die auch unter Blitzen
gelassen blieben, an trübem Tage heiter?“
„Ich traf da einen, den man aufgegeben,
er galt für geistesschwach, war schief gewachsen.
Er hütete im Steppenland die Ziegen.
Ich hörte schon von ferne den Gesang
und sah ihn bald im groben Filzhut sitzen
vor eines Feuers fahl gewordener Glut.
Sein magrer Hund lag treu zu seinen Füßen
und schlug mit seinem Schweif wie zum Refrain.
Ich klaubte Reisig auf, damit die Flammen
noch Nahrung fänden, milde Wärme wir,
es kam ein Hauch von schneebedeckten Gipfeln.
Er kramte aus dem Sack geschnitzte Becher,
ihr Lippenwulst war wie erstarrtes Seufzen,
und goß den Wein aus einem Lederschlauch,
an dem ein Purpurband im Wind geflattert.
So saßen schweigend wir, bis auf dem See,
dem dunklen See des uferlosen Himmels,
des Mondes bleiche Blume schwamm. Darüber
glomm Venus stumm und kalt. Er sang aufs neu,
doch hatte Worte nicht, kein Bild, das fesselt,
und keinen Reim als Boje auf der Flut,
nur schluchzend-herben Schmelz der heißen Kehle.“

*

Die Blinden mögen lächeln und die Toten,
nicht jene, die da nah das Ferne sehen.

*

Kaum streift, was schuldlos blühte, Menschenblick,
krümmt es sich wie vor Scham, um hinzuwelken.

*

Es führt ein jedes Wort ins Labyrinth,
kein Faden uns zurück ans Heimatlicht.

*

„Wie faule Frucht spuckst du die Worte aus,
als trüge einen Wurm in sich ein jedes.“
„Nach Eden fand ich nicht, wo unverdorben
noch Frucht, sagt man, in grünen Schatten glüht.“

*

Platon fand im Wort den Herrscher weise,
doch auf Sizilien war’s nicht inkarniert.

*

Die Katze spielt mit einer Maus, die Schreck gelähmt,
wie mit dem Herzen Amor, wenn sein Giftpfeil traf.

*

Es kann die Einsicht keine Wunde stillen,
wir finden Ruhe nur im Schlaf, den Mohn vertieft.

 

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