Das Jucken der Narben
Wovon du jäh erwachst in Frühlingsnächten,
als hätte wer, ach wer, an deine Tür gepocht,
es ist das Ächzen, ist das Erdgeschiebe tief
unter deinem Bett, und was da seufzt,
ach seufzt, ist nicht, die an die Schwelle ist gekehrt,
die du, die dich verlassen hat vor Jahr und Tag,
es ist das Schneegeviert, der Gartenrest
in deinem Hinterhof, klein wie ein Grab,
das hinschmilzt unterm lauen Sonnenhauch,
und einmal noch zu blühen sich bequemt.
Sieh in den scharfen Strahlen des August
die Flammenzungen eines stummen Sangs,
in den Strahlen sieh die Peitschen,
mit denen der Herr den Sklaven züchtiget,
wie eh und je, auf seinem Rücken sieh die Striemen,
das Jucken fühle deiner eignen Narben,
wenn du das hohe Lob dem Lichte singst.
Und was da glüht im Dämmergang der Lauben,
gehst du den alten Pfad, der im Gestrüpp
des Ungesagten mündet, ist keine Purpurfrucht,
die deinem Herbst von stiller Reife, von Vollendung spricht,
es ist der Doppelgänger, ist der Mond,
der wüst und unbehaust nicht aus sich selber strahlt,
nur den geliehenen Schein im Dunst des Untergangs
mit roher Schminke sich gespenstisch färbt.
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