Das inkarnierte Wort
Die Philosophen, die glauben, daß man im Denken die Erfahrung gleichsam ausdehnen kann, sollten daran denken, daß man durchs Telefon die Rede, aber nicht die Masern übertragen kann.
Ich kann doch nicht in den Gedanken, durch Worte, eine Voraussicht erschleichen von etwas, was ich nicht kenne.
(Nihil est in intellectu …)
Als könnte ich in den Gedanken gleichsam von hinten herum kommen und einen Blick von etwas erhaschen, was von vorn zu sehen unmöglich ist.
Ludwig Wittgenstein (Zettel, Nr. 256, 262)
Im Feingefühl der Hand, der wachen Haut,
wird uns erhellt, was sonst im Dunkel bliebe.
Taub wär der Geist, wenn er sich wund nicht riebe
am Rätselwort, wie Schnee, der niemals taut.
Wahr wird das Wort, wenn es sich inkarniert.
So muß es auch den Leidensweg beschreiten.
Es kann dem Geiste Nahrung nur bereiten,
wenn es befruchtet wird und Frucht gebiert.
Mit einer Krücke kann ein Greis wohl gehen,
nicht weit, daß er am Abend kehre heim.
Doch lernt das blinde Wort nicht wieder sehen,
ward einmal ihm die Netzhaut abgezogen.
Der Ring des Liedes ist aus Gold, ein Reim,
den heißer Sinn zum Kreise sich gebogen.
Comments are closed.