Das Gespinst der Fliegen
Es ist, als hielten sie dir,
und du stirbst ja, seufzest
schon posthumes Kauderwelsch,
rote, grüne Plastikblumen vor die Nase,
und schütteln und wirbeln sie,
oder blasen albern dir
letzte Grüße hin mit einer Tröte,
sie tanzen um dein Sterbelager
in Harlekinkostümen
und summen dabei,
die Zungen fletschend.
Eine, sie, die fischige Melusine,
preßt ihren glitzernd-schuppigen Leib
an dich, er wickelt sich um deine Beine,
ihr dreht euch schnell umeinander,
verflochtene Aale,
und du hörst, wie auf dem Parkett
die breite chitinharte Flosse
rhythmisch klatscht.
Bist du endlich allein,
kommt Stille zu eratmen,
weicht die Blendung,
weicht vor stummen Schatten
die Strahlenreizung –
da surrt es und schwirrt,
es sirrt und flirrt, an der Decke,
an der Wand, jetzt färbt sich das Fenster,
wölkt blauschwarz sich lebendiger Schleier
über dem blauen Teich der Nacht
zu allegorischen Grimassen,
flüchtige Masken verschollener Leben,
hohläugige Fratzen verquollener Lust,
all die Mimen, die dein Dasein spielten,
blitzen, grinsen auf, drehen Aberwitz
mit ihren Augenäpfeln,
spucken Wörter, glattgelutschte Kerne,
bilden Blasen vor dem Mund, die knallend platzen,
Gesichter, die dein Dasein mimten,
mit deinem Blut gespeist,
mit deinen Tränen gewaschen,
sie verlaufen ineinander,
zwei glühende Brauen bleiben stehen,
Apostrophe der Leere.
Geräusche sickern ein
aus dem Hinterhof
verlorener Sommerabende,
Scharren im Stroh,
Schaben schartiger Eisen auf weichen Polstern,
das Quietschen eines Luftballons,
Gedudel aus dem Radio,
an dem die Langeweile dreht und dreht.
Fetzen von Gesang, gelallt, gequäkt,
ein Zwerg bestreicht die Glasharmonika
mit dem immer wieder angefeuchteten Finger,
du hörst sein inständiges Lutschen,
dann zerbricht eine gläserne Röhre
und die schwere Walze steht.
Das Gespinst der Fliegen verdickt sich,
erstickt in sich selbst,
ein schwarzer Schlamm sackt von der Scheibe,
als der fahle Schein des Morgens graut,
wird ein nach Mottenpulver riechender
schwerer Samtvorhang
über dein Gesicht gezogen.