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Bojen über Untiefen

02.08.2021

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Der Fäulnisschimmer der politisch-moralisch korrekten Weltanschauung über dem Totenanger der Kultur.

Der Kot der Trivialität am Kothurn erhabener Phrase.

Der Wasserspiegel der moralischen Erregung steigt ihnen sogar, wenn die Eisberge der Stupidität schmelzen.

Wörter wie „Dame“, „gnädige Frau“, „Knabe“, „Mädchen“, „Magd des Herrn“ oder „Schicksal“ und „Gnade“ wurden ihnen infolge einer pathologischen Verödung im Sprachzentrum unaussprechlich.

Objektivität und Subjektivität, Welt und Sprache sind korrelative Begriffe. Tropfen fallen, Flocken wirbeln, doch nur wir stellen fest, daß es regnet, daß es schneit; jemandes Gesichtsmuskulatur kommt in Bewegung, doch nur wir bemerken, daß er lächelt. Eine Hand stößt ein Messer in eines Menschen Rücken, doch nur wir fällen das richtige Urteil, daß einer einen Mord begangen hat, denn wir sehen nicht nur den objektiven Bewegungsablauf, sondern legen auch unsere Meßskala, unser Muster, unseren Kriterienkatalog von Handlungsmerkmalen, Motiven und Absichten an ihn an.

Was wir anhand unserer Farbskala treffend und korrekt mit einem Farbnamen bezeichnen, existiert objektiv als Spektrum von Lichtwellenfrequenzen, aber nicht als Farbe.

Entgegen landläufiger Auffassung schränkt die Subjektivität unseres Sehens, Bemerkens und Sprechens nicht die Objektivität der Wahrnehmung und Erkenntnis ein, im Gegenteil, sie ist allererst die Voraussetzung dafür, daß sie zur Geltung kommen kann.

Nur ein Urteil, das wir uns subjektiv, aber syntaktisch korrekt und semantisch möglichst vollständig, gebildet haben, können wir anhand objektiver Maßstäbe bestätigen oder verwerfen. Außerhalb des sprachlichen Rahmens dieser methodisch kontrollierten Handlungen von Bestätigung oder Verwerfung ist die Rede von Objektivität sinnlos; doch die Tatsache, daß nur sprachliche Subjekte wie wir uns Urteile bilden können, schmälert nicht die Kraft ihrer objektiven Geltung.

Daß vielerorts Dummköpfe und jedenfalls klassischer Bildung Ermangelnde die Fäden der Macht und die Hebel der Entscheidung in Händen halten, weist darauf, daß Intelligenz, geschweige denn Bildung oder verfeinerte Geschmackskultur, kein auszeichnendes Selektionskriterium für solche Funktionen in solchen Kreisen darstellt.

Dumme Leute faseln von der Subjektivität aller Wahrnehmung, auch wenn sie wie die meisten und mit den meisten vor der roten Ampel sicherheitshalber innehalten.

Wir sind, was wir sind, und spielen nicht die Rolle derer, die wir zu sein vorgeben, es sei denn wir sind Betrüger, Scharlatane und Heiratsschwindler oder wirkliche Schauspieler auf der echten Bühne.

Die Frau, die den Säugling säugt, spielt nicht Mutter, der Mann, der seinen Sohn die Namen von Vögeln lehrt, spielt nicht Vater.

Freundschaft und Liebe zeigen ihr wahres Gesicht in der Stunde der Not, im Augenblick der Gefahr; sonst war es nur sentimentales Geschwätz.

Ist die Grenze allen Sehens und Sagens, was wir transzendentale Subjektivität nennen, muß auch die ihr korrelierende Objektivität transzendental genannt werden, denn sie ist die Grenze dessen, was wir beobachten und besprechen können.

Bojen, die sich aus der Verankerung gerissen haben, stellen selbst jene Gefahr dar, vor der sie warnen sollen.

Das Boot der Sprache bedarf des Tiefgangs und der offenen Strömung, aber auch der Sprachkritik, die Bojen befestigt, wo die Fahrrinne verschlammt und seicht geworden ist.

Von der katholischen Kirche bleibt nur ein süß-saures Lächeln beim heuchlerischen Versöhnungsgruß, von der evangelischen die grenzenlose Verlogenheit intellektueller Grenzüberschreiter.

Wer Patriot sein will, kann es schlecht, wenn sich ihm das Vaterland vor seinen Augen in eine Chimäre auflöst.

Das Wrack der Sprache versinkt im Sand einer Bucht ohne Namen.

Der größte Dramatiker und, nebenbei gesprochen, auch der größte Lyriker (wie seine Chorlyrik beweist) der Griechen, Sophokles, war ein hochsinniger Patriot, der als Ephebe den Sieg der Hellenen über die Perser bei Marathon besang, im Mannesalter die Kasse des attischen Seebundes unter der militärischen Führung seiner Heimatstadt Athen betreute und im Greisenalter einen Hochgesang auf den heiligen Hain der Eumeniden in seiner Geburtsprovinz Kolonos anstimmte. Ein deutscher Dichter, selbst dieses Formats, würde wegen seiner hochherzig bekundeten Vaterlandsliebe unter Generalverdacht gestellt, seine Dramen nicht länger aufgeführt werden.

Wird der Strom der Sprache seicht, weil die oberen Quellen und fruchtbaren Zuflüsse versiegen, wird er brackig aufgrund mangelnder Regenerationskraft, was fruchten da schon die paar Tropfen aus dem Tränenkrüglein einsamer Sprachpfleger?

Wir müssen uns mit Nuancen von Grautönen und Schattenranken des Zwielichts begnügen, wo das Mittelalter seinen transzendenten Goldgrund malte.

Mag sein, heute wirkt das maßvoll-erhabene Schreiten der griechischen Chöre starr, pompös und befremdlich, das artige Trippeln und Nicken der Tänzer des Barocks und Rokokos allzu zimperlich, manieriert und überzüchtet, der Schwanenfuß des klassischen Balletts allzu gespreizt und fast kränklich; indes, was all dies ablöste, dies Zucken und Strampeln, dies Flüchten und Klumpen, dies exaltierte pseudoexpressive Getue auf schweißbenäßten Bühnenbrettern ist uns nichts weniger als ein beredter Ausdruck des ästhetischen und geistigen Niedergangs.

Nur ein vernagelter Kopf konnte von der Erweiterung des Kunstbegriffs faseln; nur einer, der sich um die Tatsache herummogelte, daß große Kunst für die wenigen und seltenen da ist, von der sozialen Plastik.

Als könnte man die Regeln des Anstands und die Fesseln gegenseitiger Verpflichtung in einem Maße erweitern und lockern, daß sie nunmehr auch Beleidigungen, Betrügereien und tätliche Übergriffe mit umfaßten.

Die gewöhnlichen Namen der Alltagssprache haben nicht die deskriptive Bedeutung, wie wir sie beispielsweise Namen einer physikalistischen Beschreibung zuordnen; wir meinen ja nicht ein gewisses Quantum von H2O, wenn wir von einem Teich oder einem Regenguß sprechen. Wir meinen aber auch nicht das Feuern gewisser Neuronen, wenn wir von jemandem sagen, er lächle oder mache einen tristen Eindruck.

Der physikalistisch erweiterbare Satz „Das Teichwasser wird von einer benachbarten Quelle gespeist“ und der mythopoetische, nicht weiter übersetzbare Satz „Das Teichwasser wird von einer Quellnymphe gespeist“ haben dieselbe syntaktische Struktur; doch dies darf uns nicht, wie die Autoren des Rationalismus und der Aufklärung, zu der Annahme verleiten, der Satz des Mythos stelle ähnlich wie der wissenschaftliche Satz eine Erklärung für ein Naturphänomen dar, jedoch mangels seriöser Forschung und rationaler Erkenntnis nur ein nichtinformatives Surrogat eines solchen.

 

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