Begriffsspiele
Philosophische Sentenzen und Aphorismen
Die einen Toren sagen, Kunst sei, was man dafür hält, die anderen, das Geschlecht könne man wählen. Oder sind es dieselben?
Die Empfehlung, das bessere Argument gelten zu lassen, ist selbst kein Argument.
Argumentieren ist eine Art Spiel; wir können den Unwilligen nicht zwingen, mitzuspielen.
Das beste Argument schwebt in der Luft, in der freien Luft des Spieles.
Die Statistik oder die größere Anzahl ist kein Argument und bietet keinen objektiven Grund dafür, einen Begriff, einen Maßstab oder eine Handlung zu empfehlen.
So und so viele machen dies, so und so viele machen jenes; daraus läßt sich nichts folgern und daraus folgt nichts.
Etwas in einer bestimmten Beleuchtung zu sehen, heißt nicht, es verzerrt zu sehen, sondern diesen Aspekt deutlicher, jenen Aspekt verschwommener.
Es gibt nicht die einzigartige universale Beleuchtung, in der wir alles richtig, scharf und deutlich sehen.
Auf dem Hügel stehend übersehen wir die Felder, Wiesen, Auen; auf dem Berggipfel stehend sehen wir auf den Hügel herab, auf dem wir kürzlich standen; die Felder, Wiesen und Auen dagegen verblassen in der Ferne.
Ich gehe nicht im Park spazieren, weil ich aufgrund wissenschaftlicher Studien über die gesundheitsförderlichen Aspekte von Spaziergängen mich zu diesem Tun entschieden habe; ich gehe spazieren, weil es mir gefällt, weil ich es will.
Ich entscheide mich nicht dafür, einem Freund die Treue zu halten oder für ein Kind Verantwortung zu übernehmen, weil mir die biologische Theorie erklärt, wie mir aufgrund intimer Nähe gewisse Hormone Bindungsgefühle aufdrängen.
Ich muß meine Überzeugung, Gras sei grün, nicht aufgrund der Tatsache revidieren, daß die physikalische Theorie von farblosen Entitäten handelt.
Aus der Möglichkeit, optischen Täuschungen aufzusitzen oder von einem bösen Dämon hinters Licht geführt zu werden, die Wahrscheinlichkeit zu folgern, daß wir uns in einer visuellen Scheinwelt oder trügerischen Traumwelt aufhalten, ist ein Fehlschluß.
Die Möglichkeit des Falschen ist eine Implikation des Begriffs des Richtigen und Wahren.
Wir können mit Figuren aus Holz oder Elfenbein korrekt nach den Regeln Schach spielen; aber wenn wir die Bauern wegnehmen, spielen wir ein anderes Spiel.
Wir können das Spiel des Begründens spielen; aber dies Spiel können wir in seinem Rahmen nicht wieder begründen.
Das kulturelle Erbe ist ein strukturell anderer Begriff als der biologische des genetischen Erbes.
Das kulturelle Erbe unterliegt anderen Gesetzen als den wissenschaftlichen der genetischen Theorie.
Wesentliche Begriffe enthalten einen biologischen Kern, wie der Begriff der Liebe, der im familiären Umfeld der elterlichen Fürsorge um die Nachkommenschaft entspringt und gedeiht.
In der Tat, wenn wir den biologischen Kern zerstören und den Acker der Familie, auf dem der Begriff gedieh, verwüsten, erlischt allmählich auch seine Anwendung im übertragenen Sinne.
Dennoch ist der Zusammenhang natürlicher oder naturkundlicher Begriffe wie der biologische der Sexualität und der animalischen Brutpflege mit kultürlichen oder werthaltigen Begriffen wie dem Begriff der Liebe alles andere als evident.
Wir sprechen mit guten Gründen von Erbkrankheiten oder vererbten Dispositionen zu Erkrankungen wie Psychosen, doch wenn wir von genetisch bedingten und statistisch auffälligen Abweichungen im Sexualverhalten als Perversionen sprechen, wie es Freud tut, können wir unseren naturkundlichen Studien keinen wertneutralen Begriff von Sexualität unterstellen. Hier vermengt Freud wissenschaftliche Befunde und werthaltige Deutungen.
Ist der genetisch homophil Veranlage pervers, weil er die Bedingung normaler Sexualität, durch Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle eine lebensfähige Zygote hervorzubringen, nicht erfüllt? Aber er kann sie qua biologischer Voraussetzung nicht erfüllen.
Der Hinweis auf die Tatsache, daß das Menschengeschlecht unterginge, wäre die statistische Mehrheit der Menschen nicht mit der genetischen Neigung zu heterosexueller Vereinigung ausgestattet, ist allerdings ein Scheinargument, denn sie setzt die Wahrheit des Satzes voraus, die Existenz und Weiterexistenz der Menschheit sei besser als ihre Nichtexistenz und ihr Untergang. Die Eigenart des Wortes „besser“ verhüllt den Wechsel im Begriffsspiel, der hier vonstattenging.
Die biblische Offenbarung ist in dieser Hinsicht eindeutig; ihr gemäß gilt der Satz, es sei besser, der Mensch existiere, als daß er nicht existiere oder untergehe, aus dem guten Grund, daß er dem Wort oder Befehl Gottes entspricht, der sie als Mann und Weib nach seinem Bilde schuf und ihnen befahl, zu wachsen und sich zu vermehren.
Hier wird offenkundig, daß es sich bei der Eigenart des Wortes „besser“ um einen Tatbestand jenseits aller Vernunft und wissenschaftlichen Rationalität handelt.
Nur wenn wir in diesem geoffenbarten oder übervernünftig geglaubten Sinne die Existenz und Weiterexistenz der Menschheit für besser als ihre Nichtexistenz und ihren Untergang ansehen, hat die scheinbar wissenschaftliche Rede Freuds von den sexuellen Abweichungen wie Homosexualität, Fetischismus, Masochismus als Perversionen Bedeutsamkeit und Relevanz.
Mann und Frau als biologische Typen des sexuellen Dimorphismus verkörpern zugleich natürliche Realitäten und seelisch-kulturelle Werte. Wer die natürlich gegebene und kulturell bedeutsame Differenz leugnet, plädiert für eine scheinbar vielfältige, in Wahrheit und im Ergebnis sterile, unfruchtbare und monotone Lebenswelt und nimmt den natürlichen und kulturellen Tod seiner Herkunftsgruppe in den Kauf.
Die natürliche und kulturell bedeutsame Geschlechterdifferenz zu diskreditieren, einzuebnen, zu neutralisieren, zeugt von einem geschwächten, degenerierten Überlebenswillen.
Der Vater ist nicht nur der Erzeuger und Samenspender, sondern derjenige, der die Familie hütet und dem Nachwuchs den lichten Horizont der Zukunft eröffnet. Der Begriff des Patriarchats bezieht seine Bedeutsamkeit aus dieser kulturellen Funktion.
Wir befinden uns in jeweils anderen begrifflichen Kontexten, wenn wir den natürlichen Begriff des Samenspenders und den kulturellen des Vaters verwenden.
Die abendländische Kultur ist von ihren Anfängen bei den Griechen patriarchalisch, wie es sich im Triumph der olympischen Götter über die Götter der Unterwelt widerspiegelt.
Doch umfaßt der Lebenstag Licht und Dunkel, die Ekstase bunten Erblühens und das Grauen der Dämmerung.
Der hebräische Gott ist kein Vatergott, denn er hat nicht gezeugt, im Gegensatz zum christlichen, denn Christus ist der Sohn.
Wenn wir mit Goethe gegen die Anmaßungen der Physikalisten und Naturalisten an der farbigen Welt festhalten, können wir über Farben nicht nur als optische, sondern auch als ästhetische und sittlich wirksame Phänomene sprechen.
Goethes begriff von Natur ist kein naturwissenschaftlicher Begriff.
Wesentliche Antworten gehen notwendigerweise den Fragen voraus.
Wir wechseln die Bühne, Szenerie und Beleuchtung, wenn wir von demjenigen reden, was wir sehen, messen und gewichten, und den Maßstaben, die wir bei unserer Beobachtung, Messung und Gewichtung anlegen.
Den Maßstab, mit dem wir die Länge messen, haben wir axiomatisch festgelegt. Das Urmeter hat selbst keine Länge, sondern zeigt uns, was wir darunter verstehen.
Wir sprechen anders vom farbigen Licht, anders von einem bunten oder monochromen Stil.
Wir können statt Elle und Fuß den präzisen Maßstab des Meters festlegen. Aber wir können nicht alle Maßstäbe zugleich in Frage stellen.
Wir können uns fragen, ob wir uns wirklich vor einem Jahr mit unserem Freund im Park getroffen haben. Aber wir können nicht an unserer eigenen Existenz zweifeln.
Von der eigenen Nichtexistenz zu reden verstrickt uns unmittelbar in Paradoxien.
Die Möglichkeit, im eigenen Namen zu sprechen, oder die semantische Funktion der ersten Person ist die transzendentale Bedingung dafür, an beliebigen Begriffsspielen teilzunehmen, ja neue vorzuschlagen und zu erproben.
Wir bestimmen die Farbe eines Tuchs anhand das Farbmusters, das wir an es anlegen. Wir bedürfen keiner Vorstellung oder Idee, um das richtige Tuch mit der richtigen Farbe aus einem ungeordneten Haufen von Tüchern herauszufinden, wenn wir über das geeignete Farbmuster verfügen.
Wir sagen, das ausgewählte Tuch exemplifiziere die Farbe des Farbmusters.
Zwei verschiedenfarbige Tücher miteinander zu vergleichen ist etwas anderes als ein Tuch mit einem Farbmuster zu vergleichen.
Wir können zwei Dramen des Sophokles miteinander vergleichen, zum Beispiel in Hinsicht auf die dramatische Rolle des Chors; aber es handelt sich um ein anderes Begriffsspiel, wenn wir das Drama „Ödipus Rex“ als Musterdrama akzeptieren, und andere Dramen desselben Autors oder anderer Tragödiendichter an diesem Muster und Maßstab messen.
Wenn wir in der ägyptischen Wüste einen Pergamentfetzen mit einem Gedichtfragment finden, in dessen verstümmelten Zeilen einige Silben in einer Anordnung folgen, die wir den Metren der Sappho zuordnen können, ja darüber hinaus eine für diese Dichterin charakteristische Verwendung von Blumennamen oder die Erwähnung eines Eigennamens einer Person finden, die uns aus dem gesicherten Vorrat der Sappho zugeschriebenen Werke bekannt ist, können wir mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, daß es sich um das Fragment einer echten sapphischen Ode handelt.
Alles philologische Detailwissen über Sapphos Werke muß uns als Maßstab dafür dienen, die Wahrscheinlichkeit, daß es sich bei dem unbekannten Fund um ein Fragment eines Sappho-Gedichtes handelt, zu erwägen, zu begründen oder abzuweisen.
Wenn wir Zeilen lesen, die eine fiktive Person in eigenem Namen zu einer anderen Person äußert, die ihrerseits in eigenem Namen darauf antwortet, kurz wenn es sich um einen Dialog handelt, der nicht die Aufzeichnung eines realen Gesprächs darstellt, können wir mit einiger Sicherheit vermuten, daß er einen Auszug eines Dramas und die Vorlage einer Theaterszene darstellt. Wir bestimmen ein solches Kunstding als Drama, weil wir es an das Muster und den Maßstab all der Dramen anlegen, die wir kennen.
Wir können uns irren, beispielsweise, wenn wir feststellen müssen, daß der Dialog eine Passage innerhalb eines beschreibenden und erzählenden Rahmenwerks darstellt, wie wir es in den Homer zugeschriebenen Epen finden.
Wir erkennen das Typische anhand von Mustern, die oft als Kontraste oder Supplemente angeordnet sind, wie die Gestaltschemata von Hund und Katze, Kind und Greis, Blume und Stein, hierzu gehören auch die typischen Körperschemata von Mann und Frau.
Wir erkennen ein Gesicht am abstrakten Gesichtsschema, den Gesichtsausdruck von Freude, Wut oder Ekel an konkreten Ausdrucksmerkmalen.
Der natürliche Geschlechtsdimorphismus von Mann und Frau ist der biologische Kern und das natürliche Muster der ästhetischen Werte von Anmut und Würde.
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