Augenblicke III
Der Boden war trocken, rissig vor Durst,
die Hitze stand, ein Wächter mit qualmendem Helm,
zwischen den Johannis- und Stachelbeersträuchern,
den Tomatenbeeten und zierlichen Pfirsichbäumen,
und gebot Halt jedem, der auf Durchlaß sann.
Aus dem nahen Hang kam ein die Kehle würgender
Aasgeruch, eines verendeten Rehs oder Hasen
oder der räudigen Katze, die der Junge oft hat schreien
hören, wenn sie läufig war und in den Dämmer der Hecken
und die dunkel wuchernden Farne schrie –
Oben auf dem schmalen Dachfirst der Gartenhütte
hing schlaff das mit Wolfstatzen bemalte Fähnchen,
das er vor Zeiten gehißt hatte, zum Zeichen,
daß seine Bilder (Zeitungsauschnitte von der Gorch Fock,
vom Mount Everest, einem Schneeleoparden
auf der Pirsch) und seine Waffen (ein Buschmesser
mit Ledergriff, ein Bogen, der leider immer an Spannung
verlor, eine mit Hartgummi versehene Schleuder,
mit der man gut einen Hasen treffen oder einen Vogel
vom Ast holen konnte), daß Bilder und Waffen hier
unter heiliger Flagge verwahrt waren –
Das Knurren hörte er von weitem, da kommt wieder
der alte bucklige Mann mit dem Königspudel
und schleicht an dem dicht mit Fuchsien und Lobelien
überhängenden Zaun vorbei, er sieht die schnurrige
Schnauze und hört das wütende Wühlen des Tiers
mit den Vorderläufen, dann pfeift das Männlein
und stracks sucht der Köter das Weite –
Etwas braust auf im Tal, es loht wie Schwefel überm Fluß,
Wolkenwülste platzen auf, aus dem grün-blauen Gestrüpp
am schwer hängenden Bauch des Himmels spritzen
wie aus schmerzenden Eutern Blitze, stumm, funkelnde
Kristalle stieben hoch über den alten Kirschbäumen,
die zarten Köpfe der Dahlien, die sich eben noch wiegten,
und die feinen Rüschen der Glyzinen, die eben noch wehten,
sind augenblicks erstarrt, als halte die Welt den Atem an –
Als halte die Welt den Atem an, auf der Stirn fühlt er
kalten Schweiß, es saust in den Ohren, dann sieht er,
wie sich das fette Gras regt und eine schmale Schneise
öffnet, es ist die Blindschleiche, die sich hastig mit einer Raupe
im Maul in ihren Stollen windet, es saust in den Ohren,
er will nach dem Großvater rufen, aber die Zunge klebt
trocken am Gaumen, der Schwefel erbricht sich wie Asche
und Löß über die weißen Kissen der Wolken, dazwischen
sticht die Sonne wie mit scharfen Messern in das dunkler, kälter,
böser wirkende Blau, das alles trägt, durch das alles fällt –
Schnell, er muß die Wanderkarte retten, die er am Teich
ausgebreitet hat, um über die Wege durch das Eifelfeld
zu phantasieren, die Karte, die an Wert Fahrtenmesser
und Kompaß gleichkommt, das Geschenk des Freundes,
der mit der Gitarre und der Mundorgel ihm ein Menschenalter
voraus ist, jetzt war der Bann gebrochen, mit einemal
schütteln die Dahlien heftig die Köpfe, die Glyzinen
werden heiß gehoben wie fliegende Röcke im Tanz,
dann grollt und poltert es, als rollten schwere Bierfässer
über die Tenne des Himmels, doch lange noch lecken
die hellen Zungen der Blitze über die trockenen Borken und
raschelnden Wipfel, bis endlich die weißen, grausam geschüttelten
Lilien des Regens ihre lang zurückgehaltenen Tränen vergießen –
O, hat der Junge seine Karte gerettet? Er stand noch lange,
fröstelnd mit klopfendem Herzen im Schuppen,
während die Tropfen auf die Ziegel klatschten
und das Grollen seinen buschigen Schweif durch die Täler
zog wie ein sich trollender Fuchs, er stand noch lange,
und wieder saugte das All aus dem Abgrund der Angst
die scharfen Atemkristalle zu neuer Schöpfung –