Angelus novus
Des Edlen harren wir, des Gottgesandten,
in dieser Nacht, bis uns sein Sternenwort
aufgeht, heim trägt sein Fittich den Verbannten.
Der Seele Reis, verwildert, schon verdorrt,
wird er mit seinem Gnadentau berücken
zu neuem Blühen im erfrischten Blau,
am Tage, da die leisen Gesten glücken,
Geranke um den holden Strophenbau
des Lieds, das wir um Veilchen scheu ergänzen.
Er geht durchs Dunkel und das Dunkel glimmt,
er taucht in Wasser und die Wasser glänzen,
er ist es, der vom Grab die Kerze nimmt
und stellt sie uns ans Fenster, still zu brennen,
daß an die Tür pocht, wer da einsam ist.
Er ist es, den wir von den Hymnen kennen,
die deutschen Dichters keuscher Mund geküßt.
Der Knospe gleich, vorm Nachthauch bang verschlossen,
treibt unser Geist auf sternenlosem See.
Daß sie, vom Sang des Hohen überflossen,
sich auftut, und ihr Leuchten ist wie Schnee.
Doch gleichen wir der Knospe, die, erfroren,
gespenstisch glitzert, und ihr Herz ist taub,
sind auch dem Frühlingsboten wir verloren,
und taut uns auf sein Hauch, bleibt nurmehr Staub.
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