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Alanus ab insulis, Omnis mundi creatura

20.03.2020

Rosensequenz

Omnis mundi creatura
quasi liber et pictura
nobis est, et speculum.
Nostrae vitae, nostrae mortis,
nostri status, nostrae sortis
fidele signaculum.

Nostrum statum pingit rosa,
nostri status decens glosa,
nostrae vitae lectio.
Quae dum primo mane floret,
defloratus flos effloret
vespertino senio.

Ergo spirans flos exspirat
in pallorem dum delirat,
oriendo moriens.
Simul vetus et novella,
simul senex et puella
rosa marcet oriens.

Sic aetatis ver humanae
juventutis primo mane
reflorescit paululum.
Mane tamen hoc excludit
vitae vesper, dum concludit
vitale crepusculum.

Cujus decor dum perorat
ejus decus mox deflorat
aetas in qua defluit.
Fit flos fenum, gemma lutum,
homo cinis, dum tributum
homo morti tribuit.

Cujus vita cujus esse,
poena, labor et necesse
vitam morte claudere.
Sic mors vitam, risum luctus,
umbra diem, portum fluctus,
mane claudit vespere.

In nos primum dat insultum
poena mortis gerens vultum,
labor mortis histrio.
Nos proponit in laborem,
nos assumit in dolorem;
mortis est conclusio.

Ergo clausum sub hac lege,
statum tuum, homo, lege,
tuum esse respice.
Quid fuisti nasciturus;
quid sis praesens, quid futurus,
diligenter inspice.

Luge poenam, culpam plange,
motus fraena, factum frange,
pone supercilia.
Mentis rector et auriga
mentem rege, fluxus riga,
ne fluant in devia.

 

Aller Welten Kreaturen
finden wir mit bunten Spuren
in des Lebens großer Schrift.
Unser Leben, unser Sterben,
unser Wohlstand und Verderben
malt getreulich uns ihr Stift.

Wie wir blühen, zeigen Rosen,
was uns hebt, ihr hohes Glosen,
unsres Lebens Unterricht.
Blumen, die im Frührot sprießen,
müssen ihre Blüten schließen,
sinkt des Abends Dämmerlicht.

So muß Blumenduft verwehen,
blassend Lebenskraft vergehen,
und das Grab war schon der Schoß.
Mädchens Hand erfaßt die Alte,
daß sein warmes Herz erkalte,
Welken ist der Rose Los.

Frühling ist im Menschenleben
Jugendtagen nur gegeben,
kurz die Weile, die ihm winkt.
Denn der Morgen, er wird weichen,
Lebensabend macht erbleichen,
wenn die hohe Sonne sinkt.

Und die glänzend weithin prangen,
hält das Schicksal schon umfangen,
Flut, die alles mit sich reißt.
Flor wird Fäulnis, Knospe Kot,
Mensch zu Asche, wenn dem Tod
den Tribut er bar erweist.

Strafe ist das Leben, Mühsal
alles Sein, es schließt ja einmal
Lebens Pforte zu der Tod.
Tod tilgt Leben, Lachen Trauer,
Schatten Tage, Horte Schauer,
Morgenrot das Abendrot.

Strafe ist, was unserm Leben
Todes Grinsen hat gegeben,
Gaukler Tod trinkt unsern Schweiß.
Läßt von Früchten nur die Schalen,
zehrt uns auf in dunklen Qualen,
Tod ist allen Lebens Preis.

Unter dies Gesetz beschlossen
ist, o Mensch, was du genossen,
lies es, sieh, mehr hast du nicht.
Was du von Geburt gewesen,
was dir jetzt, was bald erlesen,
blick der Wahrheit ins Gesicht.

Weine über Schuld und Strafe,
laß das Treiben, lieber schlafe,
senk des Hochmuts dreisten Blick.
Der die Sternenbahnen zieht,
bann den Geist, der schäumend flieht,
halt vorm Abgrund ihn zurück.

 

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