Skip to content

Abend am heimatlichen Strom

04.01.2022

Wir gingen spät noch auf dem Uferweg,
und hörten wir im Schilf das dunkle Glucksen,
in knorrigen Silberweiden Flügel müde flattern,
gedachten wir versunkener Pfade, südlicher,
wo unsre Schritte süßer knirschten ein und feurig
Odem uns vom blauen Golf noch wehte abendlich.

Doch bogen ab wir aus dem Dämmergrund,
und faule Witterung verstrich im Dunst
von herben Kräutern. Bald zackte sich das Rebenblatt,
der trunkenen Schwermut Sonnenzeichen,
vor einer blauen Höhe, die zart hinunterblaßte
wie die Hortensie, wenn sie unter Schatten schläft.

Doch mieden wir den steilen Rebenpfad,
der uns in Jugendtagen oft zum Kreuz geführt,
an dessen Fuß bisweilen traulich Kerzen flammten,
und auch wir hatten kleine dort entzündet.
So kamen wir zur morschen Eichenbank
und blickten zwischen Brombeerbüschen
und Gestrüpp hinab auf jenes stille Bild,
das uns im Herzen kindlich-wahr geblieben.

Der graue Kirchturm, der mit seinen Glocken
uns den hohen Tag erbaut, der Schiefer,
fremden Glanzes, wie es Blätter sind im Abendtau,
der träge Strom, der Strom, der noch im Halbschlaf
seine Wellen sacht das Röhricht zittern ließ,
der Strom, der uns noch blaue Ankunft rauschte,
war schon das trübe Menschenwort versiegt.

Du wiesest mir die Stelle, wo das Schicksal
die unsichtbare Schneise in den Uferschlamm
geschnitten habe. Oder war es eine Nymphe,
die mit Veilchenblicken ihn, mit ihrer Lenden
milchig-weißem Schaum den Dichter in das Dunkel
lockte? Sie war die Tochter ja des Flusses,
und war er nicht sein Sohn, floß nicht sein Vers
wie seine Wellen sanft und hatte keine Bleibe,
als nur für einen Augenblick den Schimmer uns
zu spiegeln, des Himmels Blitz, den Kuß des Monds?

 

Comments are closed.

Top