Die Glocken
Wie gleicht die verirrte Seele
mit ihrem Wimmern
und falschen Seufzen,
ihrem blechernen Lachen
und schütterem Weinen,
dem lüsternen Fletschen
und Verzagenshecheln
der gesprungenen Glocke,
der ein häßlich gezackter Riß
die Wange entstellt,
sinnlos klopft die Zunge des Klöppels
an den wunden Gaumen,
und ihr widriges Gellen,
ihr Unsinns-Girren,
ihr obszönes Schellen
scheucht die Tauben von den Simsen.
Wie gleicht die reine Seele,
wenn der Gnaden-Wind
das Schilf ihres Wartens erschüttert
und der Kuß eines fernen Bilds,
es hob die Woge ins Abendlicht,
in ihr offenes Fenster springt,
wenn eines Nachtvogels
Liebesschrei den Eichenhain
ihres Schlafs erhellt,
wenn auf die dunkle Schneise
ihres Verhauchens
Schnee die Stille flockt –
wie gleicht die göttliche Seele
der geweihten Glocke,
die mit Gold-Geläute
ihre Frommen ruft
zu zartem Angedenken,
mit Purpurklängen
die weißen Kinder
zum Geschmack der Ewigkeit lockt,
aus dumpf tönender Bronzeschale
Blüten der Lilie, der Nelke, der Rose
auf den einsamen Pfad
der Trauer streut.