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Kopf und Herz

11.10.2015

Dem Gedenken an Blaise Pascal

 

Le cœur a ses raisons que la raison ne connaît pas.

Inquietum est cor nostrum, donec requiescat in Te.

Os habet in corde sapiens, cor stultus in ore.

Beati mundo corde, quoniam ipsi Deum videbunt.

O heilig Herz der Völker, o Vaterland!

 

Kühler Kopf und heißes Herz: der Held der Liebe und der Tat.

Was einem über den Kopf wächst, entzieht dem Herzen das Blut.

Wenn einem das Herz bricht, knackst es auch im Kopf.

Den Kopf hochtragen erhebt manchmal auch das Herz.

Kopf und Herz müssen sich wie Taubstumme verständigen.

Die letzten Gründe des Herzens sind dem Kopf unergründlich.

Die letzten Gründe des Herzens verbirgt es vor sich selbst.

Er redete und redete, doch sein Herz blieb stumm.

Er sprach so tonlos, als schlüge in ihm ein fremdes Herz.

Wenn das Herz verstört ist, hat der Kopf gut reden.

Der Kopf rätselt, das Herz staunt.

Worüber man sich den Kopf zerbricht, darüber lächelt das Herz.

In den unteren Stockwerken oder in den tiefen Kellergewölben spielen sich die eigentlichen Dramen ab, die dem Kopf nur als leichtes Beben, dunkles Grollen oder schluchzende Musik merkbar werden: Herzensnöte, die Erziehung des Herzens, und wenn sie mißlingt, all jene Tragödien und Komödien …

Klarheit, sagt der Kopf, Weite, das Herz.

Dem Kopf mag ein Licht aufgehen, das Herz bleibt in seiner Nacht – und dem fremden Glanz ihrer Sterne.

Kristall, sagt der Kopf, Muschel, das Herz.

Hirnschlag oder Herzschlag – eine Frage des Charakters.

Was dem einen Gründe, sind dem anderen Vordergründe.

Auch wenn der Kopf bedenklich wackelt, das Herz bleibt am rechten Fleck.

Einer mag erhobenen Hauptes dastehen, auch wenn ihm das Herz bereits in die Hosen gerutscht ist.

Verkopfte Lehren kann man nicht beherzigen.

Das Haupt mag bekränzt, gekrönt, gesalbt werden, das Herz kennt andere Ehren, andere Verehrer.

Wer sein Herz nicht verlieren, nicht verschenken, sich nicht stehlen lassen mag, hat keines.

Den Kopf kann man sich an Rätseln und Paradoxien zerbrechen, das Herz bricht durch ein Wort, eine Geste, eine Schandtat.

Gewiß, die Lyrik ist Musik des Herzens, doch ihrem allzu haltlosen Schluchzen und Klagen setzt der gepeinigte Kopf gern die Kadenz einer ironischen Pointe.

Der Kopf mag ertrinken im Rausch, das Herz will in Flammen stehen.

Herrschaft, sagt der Kopf, Dienst, das Herz.

Größe des Kopfes ist das Haupt, des Herzens das Herz.

Der Kopf schläft, das Herz bleibt wach.

Die Macht pflanzt sich auf den starren Thron und reckt das Haupt. Das Herz beschleicht ein Ahnen, es fliegt.

Zwei Kulturen: die eine enthauptet, die andere schneidet das lebendige Herz aus dem Leib.

Was der Grips dem Kopf, ist dem Herzen das Blut des Sinns.

Wir verehren den Logos in der Aura des Hauptes und huldigen der Gnade im blutenden Herzen.

Maria, Königin der Liebe, ihr Herz durchbohrt von fünf Schwertern.

Der Kopf hat seine Zahlen, das Herz seinen Rhythmus.

Zweierlei Schicksal: einer verliert den Kopf, einer verschenkt sein Herz.

Dem Haupt die Krone, dem Herzen das Schwert.

„By heart“, sagt der Brite, „par coeur“, der Franzose, „de cor“, der Spanier – wir haben nur das blasse „auswendig“, wo es doch „inwendig“ heißen müßte.

Der Kopf verkalkt, das Herz versteinert.

Das Herz schlägt noch, wenn der Kopf den Kampf schon aufgegeben hat.

Welch ein Unterschied: kopflos und herzlos!

Geist haben ist eine Herzenssache: cor habere.

Der dumme, begriffsstutzige Kerl heißt: stupor cordis.

Der brillante Kopf hat oft kein großes Herz.

Der scharfe Kopf verheddert sich in den Falten des Herzens.

Wenn das Herz die Wahrheit künden soll, muß ein Gott es bezwingen.

Die Pfeile Amors sind dem Herzen bestimmt, das Hirn ruht sicher in seiner Schale.

Circumscisio cordis in spiritu spricht Paulus dem Christen zu, die Beschneidung des Herzens dem Geiste nach.

Unbeschnitten ist das Herz Fleisch, das fleischliche Triebe hervorbringt.

Schon das antike Bild des Liebespfeils spricht von der Gewalt des Geschehens, wie erst die biblische Rede von der Beschneidung.

Sursum corda (Dialog von Priester und Gemeinde vor der Praefation des eucharistischen Hochgebets):

Priester: Dominus vobiscum.
Gemeinde: Et cum spiritu tuo.
Priester: Sursum corda.
Gemeinde: Habemus ad Dominum.
Priester: Gratias agamus Domino Deo nostro.
Gemeinde: Dignum et iustum est.

Das Herz ist das Zentrum des Willens und des Glaubens und der Glaubensentscheidung: Es zu Gott zu erheben ist die Forderung des Priesters an die Gemeinde vor der heiligen Handlung. Wenn sich das Herz vom irdischen Traum gelöst hat, wird es frei für den Dank, das Lob Gottes. Doch ist auch gesagt, daß die Gläubigen ihr Herz zum Himmel kehren, dem voraus geht indes die Tat der Erlösung, die den Himmel geöffnet und Gott in Christus nahegebracht hat. Verstockten Herzens sind, die das Angesicht nicht in die Höhe zu richten willens und fähig sind. Das Sursum corda spricht von der Erhebung der Seele, die sich der Gnade verdankt.

Wenn die Gnade das Herz berührt, muß an ihm vielleicht ein unversehrter und verborgener Kern der Güte stecken, der es nicht bloß niedrig und klein, sondern groß und würdig von sich zu denken ermutigt. So hat Thomas von Aquin einen Ausgleich gesucht zwischen der aristotelischen Tugend der Großherzigkeit und der christlichen Tugend der Demut.

Nicht die Fragen und Gedankenspiele des Kopfes, sondern die Unruhe des Herzens, die es über jeden Anlaß hinaus heimsucht, machen den Menschen zum Menschen.

Wir wähnen die Unruhe des Herzens stillen zu können, wenn wir den Geliebten umarmen, ein Lächeln des Freunds gewinnen, wieder die Luft der Heimat atmen – doch vergebens.

Nach welcher Heimat, welchem Frieden, welchem Sinn sucht das menschliche Herz? Manchmal glauben wir in großer Musik oder Dichtung es zu ahnen, im Lux aeterna des Mozartischen Requiems, im purpurnen Gipfelschnee der Verse Hölderlins.

Wenn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens auch böse ist von Jugend auf, sind wir im Aufklang des Sursum corda doch nicht ganz ohne Hoffnung.

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