Stips – ein Spatzenleben II
„Da ist ein warmer Schein!“,
denkt Stips, das Spätzelein,
als es mit Magengrummeln
sich wollt am Dachfirst tummeln.
Stipschen flattert auf die Fensterbank.
Da liegt ein Schnee, so kühl und blank.
Es plustert sich und reckt den Hals,
will singen wie die Nachtigall, falls
dort ein guter Mensch sollt wohnen,
tät leckere Gabe ihm belohnen,
mit spatzigen Nachtgesängen
süß das Gemüte ihm bedrängen.
Da sieht es einen alten Mann,
der mühsam nur entziffern kann,
was selbst er schrieb aufs arme Blatt,
verwundert, werʼs geschrieben hat.
„Sein Haar ist weiß, die Stirn so rein,
das muss“, denkt Stips, „ein weiser Dichter sein,
der auch die kleine Sehnsucht stillt!“
Ein Spatzenherz von Hoffnung schwillt.
Stips wollt schon herrlich pfeifen,
doch mocht er sichʼs verkneifen.
Könnt sein, so feinem Dichterohr
ein Nachtispätzchen macht nichts vor!
So pickt der Stips denn frohgemut
ans Fensterglas mit seiner Schnut.
Da schaut sie schon, die gute Seele,
wer da pocht, wer sich wohl quäle
draußen in der Winternacht.
Doch rums, da hatʼs gekracht,
man schloss den Fensterladen zu,
da hat die liebe Seele Ruh.
„So ist das Spatzenleben“, sinnt
der Stips, „wer sich höher spinnt
als unsereins, bleibt ewig stur
vor so kleiner Kreatur.“
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