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Jugend in Koblenz X

16.02.2015

Sie stürmten in die Altstadtkneipe
an der Liebfrauenkirche: Männ- wie Fräulein
kahlgeschoren, in grauen Drillichs Latz.

Der Ton war rüde – glimpflich war noch:
„Na, du Mösenflüchter, eingezogner Schwanz!“
„Ich sag dirʼs auf die Fotze zu, die eingetrocknete!“

Tattoos waren damals noch nicht in.
Sonst hätte ihnen auf Stirn und Arsch
statt des Doppeladlers ein Doppel-A geprangt.

Du weißt dirʼs nicht mehr recht zu deuten:
Stand es für „Ausverkauf des Abendlands“
oder für „Arschgefickte Anarchisten“?

Warst du denn ungerührt vom Charme des neuen Weibs?
Frei schwingenden Brüsten, Hexenhaaren
auf der Lippe, Zungen, die orgasmisch fletschten?

Zogen sich des Herzens Hoden dir nicht zusammen?
Und erst das Ideal des neuen Manns, halb Barbar,
halb Zeitenwender, mit dem Gemächt als Knarre!

Sie schwallten, schwitzten, schwollen wie Glieder
eines Gliederfüßers, schamlos-glücklich, egokitzlig,
ferngewalzt vom großen Schwanz aus Wien.

Sie hatten vor dem Scharren und vielzüngigem Schmatzen
des dunklen Körpers Kollektiv nackt auf offner Bühne
Eltern, Abkunft, Vaterland, treue Liebe ausgespuckt.

Die scheißbourgeoise Bindungsangst, die Schlinge,
die des Lebens Schwellkörper verschnürt, durchtrennte
der Meister mit dem primae noctis ius.

Jetzt sind die Eltern Asche. Entbunden die Furien
der Einsamkeit. Das phallische Idol gestürzt.
Und sie verkrochen in den Ritzen der alten Angst.

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