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Das Ei

05.07.2024

Denker, denk das Ei,
grübel’s nicht entzwei.
Es enthält die Welt,
Liebe hat’s bestellt.
Doch muß man es hüten,
mit Geduld bebrüten,
daß ein neues Sein
ins alte spring herein.
Wie im winzig Kleinen
sich zwei Welten einen,
die Kunde hoher Stunden
im feinsten Strang gewunden,
der sinnreich sich zerteilt,
zur Neugestaltung eilt,
die doch der Ahnen Züge
an Aug und Seele trüge,
bewundernd magst du’s schauen,
dem Schöpfergeist vertrauen,
selbst wenn aus zarten Scherben
als Unhold schlüpft Verderben.
Denn hat’s der Kuckuck auch
unter fremden Bauch
trügerisch gelegt,
wird es doch gehegt.
Wenn das Junge gar
die Geschwisterschar
aus dem Neste patzt,
wird es doch geatzt.
List und schierer Trug,
Gottes ist der Fug.

Dichter, sing das Ei,
reim es nicht zu Brei.
Es ist schön oval,
blendend wie der Strahl,
der sie uns erhellt,
dämmert hin die Welt.
Was daraus entspringt,
gackert oder singt,
federbunt geschmückt,
hat dich hoch entzückt.
Manchmal sind die Eier
wie zur Osterfeier
auch gesprenkelt zart,
je nach Vogelart,
Punkte gelb und blau,
perlglänzend wie der Tau,
Dichter, dir zum Zeichen:
Natur kann es erreichen,
was dein Vers ersehnt,
Rhythmen, süß gedehnt.
Doch dann gibt es wieder
ganz mißglückte Lieder,
als wär dir geschlüpft
ein Küken, arg zerrüpft.
Eier gibt’s in Massen
dumpfer Teufelsrassen.
Und wenn daraus kriecht,
woran das Leben siecht,
rasch bringt’s aus dem Tritt
Wurm und Parasit,
was das Hirn befällt,
daß der Feingeist bellt,
mußt es nehmen hin,
Gottes ist der Sinn.

Zwei sind für das Ei
gar nicht einerlei.
Wisset wohl, ihr beiden,
sie zu unterscheiden:
die aus eignem Blut
nährte dieses Gut
und nach vielen Tagen
hat es ausgetragen,
Muttertier heißt sie,
ob nun Mensch, ob Vieh.
Der mit flottem Samen
sagt der Frucht sein Amen,
baute mit das Nest,
doch verschlief den Rest,
dann weckt ihn die Pflicht,
Werktags grelles Licht,
sorgen für die Brut
gibt ihm frischen Mut,
Vater heißt der Mann,
der sich Sinn gewann,
wenn das Junge summt,
was er vorgebrummt.
Die im Zwielicht schwanken,
sind die seelisch Kranken,
die nicht zeugen können,
Mutterschaft mißgönnen,
Mannesehre ächten,
im Dienst von finstren Mächten,
lassen Hohes schleifen,
Niedres um sich greifen,
sind die Nihilisten,
die mit Trug und Listen
Geist der Sprache blenden,
ins Öde sie zu wenden.
Dunkel sind Dämonen,
die kein Herz verschonen,
Tiere, die monströse
geifern für das Böse.
Frage nicht, wieso.
Gottes ist der Zoo.

 

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