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So brach er auf

01.03.2023

Eine Erinnerung an Vincent van Gogh

Er stieg hinab in Düsternisse,
wo der Erde schwarze Adern von Erzen
schimmern und von topasblauen Schrecken,
er ritzte sich die Stirn an Stalagmiten
und letzte seinen Mund an Fäulnistropfen,
er rieb mit Kohlenstaub sich auf die Brust
das Schattenmal der Angst.

Doch blieb sein Auge licht
im braunen Dunst der Rüben- und Kartoffeläcker,
im düsteren Pferch des Elends,
wo hagere Hände nach den dünnen Scheiben,
der Armut ungesäuerten Oblaten langten,
im fahlen Blick erloschener Gesichter,
die keiner Kerze, keiner Inbrunst Glanz erweckt,
blieb in der Liebe Weiheschale
ihm noch Glut.

Die Späne aber, die vom Kreuz er abgebrochen,
konnte er daran nicht mehr entzünden,
die Hostie hoher Botschaft
verblaßte in der grünen Nacht,
die aus dem ewigen Schmerz des Meeres stieg,
vorm Asphodelenschaum des Monds.

So brach er auf
zu reingestimmten Himmeln,
wo Wolken knospenstumm versinken,
zu hymnenhellen Flammen,
die das dürre Laub des Kummers rasch verzehren,
zu blütenoffnen Augen,
an deren Wimpern Tränen in der Sonne blitzen.

Und ihm fielen Feuerrosen
auf die ausgestreckte Hand,
er flocht sie um die Schläfen,
fühlender das Bild zu sehen,
aber Schnee von Mandelblüten
schmolz auf seinem müden Lid.

Und sie peitschten ihn,
die gnadenlosen Strahlen,
die süßen Geißeln des Martyriums,
das dem Selig-Unerlösten
nur für eines Zeugnis gibt,
den schönen Glanz der Wunde,
die Wahrheit reinentsprungnen Bluts.

 

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