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Walther von der Vogelweide, Saget mir ieman, waz ist minne?

06.07.2022

Saget mir ieman, waz ist minne?
weiz ich des ein teil, sô west ich es gerne mê.
der sich baz denne ich versinne,
der berihte mich, durch waz sie tuot sô wê.
Minne ist minne, tuot sie wol;
tuot sie wê, sô heizet sie niht rehte minn
sus enweiz ich, wie sie denne heizen soll.

Ob ich rehte râten kunne,
waz die minne sî, sô sprechet denne jâ.
minne ist zweier herzen wunne:
teilent sie gelîche, sô ist die minne dâ.
Sol sie aber ungeteilet sîn,
sône kan sie ein herze aleine niht enthalden.
owê, woltestû mir helfen, vrouwe mîn!

Vrouwe, ich trage ein teil zuo swære,
wellest dû mir helfen, sô hilf an der zît.
sî aber ich dir gar unmaere,
daz sprich endeclîche, sô lâz ich den strît
Und bin von dir ein ledic man.
dû solt aber einez rehte wizzen, <vrouwe>,
daz dich lützel ieman baz geloben kan.

Kan mîn vrouwe süeze siuren?
wænet sie, daz ich ir liep gebe umbe leit?
solt ich sie dar umbe tiuren,
daz sie sich kêre an mîn unwerdekeit?
Sô kunde ich unrehte sprechen.
wê, waz rede ich ôrlôser und ougen âne?
swen die minne blendet, wie mac der gesehen?

 

Kann einer mir, was Liebe ist, sagen?
Weiß ich ein wenig davon, so wüßt ich gerne mehr.
Wer tiefer als ich sie konnte befragen,
belehr er mich, warum sie schmerzt so sehr.
Liebe ist Liebe, wonnevoll,
schmerzt sie aber, heißt man rechtens sie nicht Liebe.
Ich weiß nicht, wie man sie dann nennen soll.

Will die Deutung mir glücken,
was die Liebe sei, so gebt mir euer Ja.
Liebe ist zweier Herzen Entzücken:
Ist jedem gleich der Teil, Liebe, sie ist da.
Teilt man sie aber nicht durch zwei,
so kann ein Herz allein sie nicht enthalten.
O weh, meine Herrin, steh mir bei!

Herrin, zu schwer ist meine Last,
willst du mir helfen, kürz ab den Lauf.
Bin ich dir aber ganz verhaßt,
sag es nur unverblümt, so geb ich es auf
und scheide von dir, ein freier Mann.
Eins aber präge dir ein, meine Herrin,
keiner wird höher dich preisen als ich es getan.

Darf mir die Herrin verbittern das süße Leben?
Glaubt sie, ich schenke ihr Lieder, sie dafür Leid?
Soll ich sie rühmend erheben,
daß hündisch ich krieche unter ihr Kleid?
So war mein Spruch ein Versehen.
Weh, was rede ich noch, taub und erblindet?
Wen aber die Liebe blendet, wie könnte der sehen?

 

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