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Advocatus Diaboli

05.08.2021

Philosophische Sentenzen und Aphorismen

Von den hohen Quellen des Christentums verbleiben in den dürftigen Rinnsalen der Kirchen nur sentimentale Dummheiten und den Vulgus betörende Lügen.

Im Begriff der Gnade liegt die hierarchische und antiegalitäre Wahrheit unverdienter Erhöhung und übermäßiger Erniedrigung.

Wenn entgegen der Rede des Paulus hysterische und moralisch übererregte Frauen in der Kirche das Sagen haben, ist sie untergegangen – also ist sie untergegangen.

Die Dogmen der frühen Kirche, also die entscheidenden, sind ein Amalgam von Platonismus und Offenbarungsglauben, daher ist ihr Wert auf den schwachen Kurs blasser Symbolik gesunken, nachdem sich der platonische Wesensbegriff als Chimäre entpuppt hat.

Die sentimentale Dummheit und Verlogenheit in der Annahme einer moralischen Überlegenheit der Armen.

Der erhabenste, würdigste und ästhetisch vollkommenste Ausdruck von Frömmigkeit, die lateinische Messe, wurde von aufgeklärten Schwachköpfen und künstlerischen Banausen geschmäht, an den Rand gedrängt und verworfen.

Der süße Kitsch und schlüpfrige Brei moralisierter Verkündigung ist der Honigtopf der unbeschnittenen Herzen, in den der Teufel nur allzu gern die behaarte Pfote steckt.

Die Vergötzung des Armen, des Fremden, des Anderen ist das masochistische Residuum der Religion der Nächstenliebe.

Die kulturelle Elite des heidnischen Rom ließ sich spätestens seit Konstantin taufen; daher der ungeheure Reichtum des alteuropäischen Christentums an Gelehrsamkeit, Dichtung und Philosophie.

Vom Protestantismus bleibt nur eine innerlich hohle intellektuelle Anmaßung.

Welche Kraft der Bilder von Himmel und Hölle bei Dante; von der Hölle wollen sie gar nichts mehr wissen oder verwechseln sie mit apokalyptischen Visionen des Untergangs, und ihr Himmel besteht aus den rosa Wölkchen einer philiströsen Sonntagspredigt, die heitere Schatten werfen, anders als jene, die Schauer der Bangigkeit hervorrufen, Wolken des Gerichts.

Für Luther war der Kern des evangelischen Lebens die klassische Ehe und Familie, wo gebetet und gearbeitet, gezeugt und gesungen wurde, wie er es der Gemeinde selbst vorgelebt hat; heute schmähen seine vorgeblichen Erben die alttestamentliche Bündnistreue in der Monogamie von Mann und Frau und zerbrechen sich die Zunge in einer grotesken Gender-Rhetorik.

Das auf dem Testament der Juden fußende Christentum schließt jedes neuheidnische Bekenntnis zum Feminismus und Sozialismus oder zur Utopie arianisch-selbstermächtigter Welterlösung aus.

Uns bleiben die alten Riten, die den schwachen Geist sich unter die Fittiche des Überwirklichen flüchten und bergen lassen, uns bleiben die grandiosen ambrosianischen Hymnen und die schlichten Kirchenlieder, der transzendente Goldgrund der Ikonen und der mittelalterlichen Malerei, das Geheimnis der Rosen und Lilien im Hortus conclusus, die geistlich inspirierten Bilder der Renaissance, die wuchtigen romanischen und die lichttrunkenen gotischen Dome, die sublime und expressive Plastik der Portale, Säulen und Nischen, uns bleiben die Gralsepik und die Legenda aurea, uns bleiben Missale Romanum, Requiem, Choral und Kantate, Palästrina, Desprez, Bach, Händel, Mozart, Mendelssohn und Schubert, um nur diese zu nennen, aber auch die Sinfonien Bruckners oder die Werke Messiaens, die in uns den tieferen Sinn des Christentums wachzuhalten vermögen.

Was wäre Proust ohne die gotische Kathedrale, ohne Saint-Denis und Chartres?

Was wäre Baudelaire ohne den paradoxen Trost der Dämonie, was seine Blumen ohne die Disteln des Advocatus Diaboli?

Noch in den Pastoralen und Idyllen des Rokokos oder seiner ironisch gebrochenen Wiederkehr bei Verlaine weht der Geist der Prophetie von der goldenen Abendstille der Natur.

Ist es auch eine Illusion, wir verdanken ihr sublimste Werke.

Aus der Lehre Wittgensteins vom Sagen und Zeigen, vom Sagen und Schweigen spricht nicht nur die herrische Stimme der formal gereinigten Logik, sondern auch die leise der christlichen Mystik.

Freilich muß man sich krank wissen, um nach dem Heil zu verlangen, fast verloren gegeben haben, um nach dem Retter zu rufen.

Wären die Gimpel und Scharlatane der evangelischen Akademien im Recht, die statt um die Erlösung vom Bösen zu beten Bonbons emanzipatorischer Erfrischung reichen, wäre die Bergpredigt ein Programm für moralische Extremisten und theologische Nihilisten.

Die historische Größe des Christentums rührte von der Verschmelzung eines hochsinnigen aristokratischen Ethos mit dem Sinn für das Heilige und Numinose, das sich nicht nur im Glanz der Throne widerzuspiegeln vermag, sondern auch in der unscheinbaren Anmut und zarten Gebrechlichkeit der Alltagsdinge.

Zeichen, Gesten und Taten der Hingabe, Demut, Liebe, sie können nicht befohlen, nicht einmal angeraten werden, sondern müssen sich zeigen, sich ereignen.

Den faden Geschmack der Leere und Langeweile in der Neige des Lebenskelches empfinden nur, wie Pascal, Baudelaire, Mallarmé oder Verlaine, denen wenn auch noch so flüchtig ein Vorgeschmack seliger Erfüllung vergönnt war.

Die der numinosen Dämmerung des stillen Gebets vor der ewigen Lampe den grellen Aufschrei der Gasse vorziehen, sind die Philister der Aktualität und die Pharisäer der Versöhnung durch Geschwätz.

Die neuen Gnostiker suchen mit der Wünschelrute einer höheren Moral nach Wasseradern unter dem grauen Asphalt, den sie selbst über den moosigen Grund der Empfindsamkeit und Empfänglichkeit ausgebreitet haben.

Die Lauten im Lande scheuen die Stille und Einsamkeit des pascalschen Raumes, weil ihnen dort dämonische Spiegel die eigenen Fratzen zeigen könnten.

Die Kapelle am Waldessaum ist verwaist und verfallen; das schlichte barocke Gnadenbild, das einst den Weihrauch der Hymnen und die Lilien der Andacht und Verehrung lächelnd entgegennahm, steht beschmutzt und rissig neben Kerzenhaltern, Vasen, Spaten, Reschen und Gerümpel in einer Seitennische, in die das Zwielicht einer nicht enden wollenden Abenddämmerung fällt.

Ein Volk ohne Mythos ist wie ein Drama ohne Peripetie, Wende des Schicksals, an der ein Göttliches sich zeigt.

Ein Hölderlin sänge keine Hymne mehr auf den Rhein oder den Ister, sondern eine Nänie auf die im Geschwätz versandeten Ufer Babylons.

An der Unruhe des Blicks und dem Stammeln der Zunge ermessen wir die Abwesenheit Gottes, die den Dichter keinen Halt am speckigen Glanz oder der grauen Leere der Bilder finden läßt, an der sich philiströse Saturiertheit und konformistische Avantgarde ergötzen.

Der die Ferne fühlt, der Dichter ist mit jenen nicht verwandt, die sich in den parfümierten Kissen oder dem fäulnisbunten Laub der Gegenwart wälzen.

Er steht in der Angst der Welt, der Nacht, die am hellen Mittag wie ein Grabtuch das Gesicht der Dinge verhüllt.

Hoffnung wird jenem, dem der Stern der Weisen erloschen ist, nicht, auch nicht im dichterisch noch so vollendeten Ausdruck der Hoffnungslosigkeit.

 

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