Berlin, April 1945
Ein Kind zieht auf dem Leiterwägelchen
sein eigenes Gerippe
in den Schutt des Abendlands.
Im Dauerbeschuß von Granaten
kniet ein altes Weib und reckt die Hände
in den durchlöcherten Himmel.
Der blinde Führer eines großen Volkes
wartet auf den Durchbruch
einer Armee von Gespenstern.
Aus dem brennenden Fenster
einer Mietskaserne kippt eine Leiche,
die noch schreit.
Der schmutzige Schnurrbart kratzt
über die Hand seiner schönen Schreiberin
und läßt Nacht und Nacht aus seiner Schläfe rinnen.
Abertausend gottverlassene Frauen
tun sich selbst Gewalt an,
um nicht vergewaltigt zu werden.
Auf der langen schwarzen Mauer
um den Friedhof heimatloser Seelen
steht mit Kreide grell: Berlin bleibt deutsch.
Unterm verkrüppelten Lindenbaum
flötet auf dem Schenkelknochen
einer verkohlten Nymphe Pan.
Die Gezeichneten wühlen im Dreck
nach einem Lächeln,
einem verschütteten Angesicht.
Der Zeiger seiner alten Seelenuhr
bleibt diesem Volk für immer
stehen auf Mitternacht.
Der von Ostern weht, der Rauch,
legt sich wie Mehltau auf die Blüten
deiner Veilchen, Mörike.
Unverweslich ist allein die Asche,
die von Stund an sinkt und sinkt
in deine Mondnacht, Eichendorff.
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