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Moseltal

11.12.2019

Mostgeruch aus feuchten Kellern,
Bruchstein, Schiefer und Basalt,
und der grüne Blick des Sommers
aus steilem Wingert, Blattgerank
von Reben, zartgezackte Schatten.

*

Und im weißen Haar des Alten,
der am Ufer an der Böschung lehnt,
der weichen Mosel kaum gefühlter Hauch.

Sprich mir, alter Moselwinzer, sprich
von der traubenschweren Last der Tage,
vom Grillenlied aus Schründen warmen Schiefers,
dem braunen Glucksen frischen Mosts,
dem Tuckern der Schiffe durch den Dunst des Schlafs,
vom Geläut der Vesper, das noch schwingt,
wenn deine Träume durch die Gärten wehen,
wie lose Blätter oder Fetzen Nebellicht.

Doch nein, sag nichts, ich seh ja deine Hand,
die zittert, weil die Fülle wog zu schwer,
und gefurchte Rinnen auf den Wangen,
am wilden Strahl verdorrte Tränenbetten,
und deine Augen grau wie nachts der Fluß,
wenn einsam schwache Lichter streifen,
seh deine Stirn von Fragen kahl und schief
den Mund, weil zuviel Seufzer starben.

*

So steig ich denn ein letztes Mal empor,
vorbei an Andachtsbildern der Passion,
wo flehentlich wie arme Seelen Kerzen flackern,
dankbar für den hohen Geist der Ahnen,
die mir den Pfad gebahnt, die Bilder schön geformt,
und höre nur wie eines Fremden meinen Atem,
das Knirschen meiner Schritte im Geröll.
Vorbei an Strünken alter Eichenbäume,
die tiefer sich ins Dasein als meine Seele krallten,
die keine Wurzeln trieb im dunklen Lebensgrund
und keine Frucht wie sie, ein Eichhorn oder Reh
zu nähren, einem Kind in scheuer Hand Gefühl
der eignen Wärme mitzuteilen, am Kreuz vorbei,
wo Ehrfurcht niederkniet und Liebe weint,
und auf der Höhe, wie goldenen Weines Strahl,
darf einmal noch ich schauen auf die Mosel,
die wie zum Abschied lächelt, wohl wissend,
im Arm des Bruders findet sie Vergessen bald.

 

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