Der Samurai und der Bettelmönch
Der Samurai trägt mit Stolz seinen glänzenden, gehörnten Helm, seinen wehrhaften Panzer, sein Schwert und seinen Schild, auf dem ein schreckliches Wappen prangt, das mehr sagt, als sein Mund je sagen könnte.
Der Bettelmönch steht kahl geschoren und schwankend in einem zerschlissenen Gewand auf hölzernen Latschen, einen Regenschirm in der einen, eine Bettelschale in der anderen Hand.
Wenn er sein Schwert zückt und es die Zähne fletschend durch die Luft zieht, daß sie schwirrend tönt, ist das Gesicht des Kriegers mit dem struppigen Bart eine Maske des grinsenden Tods.
Manchmal sitzt der Mönch am Wegesrand, die Schale zwischen den gekreuzten schmutzigen Füßen, seine Glatze ist wie die Schwester des vollen Monds, die ihn von ferne grüßt; er hört, wie die Schale blechern tönt, wenn einer der Passanten eine Münze einwirft, doch schaut er nicht auf, das Lächeln, das wie ein Tränenschleier sein mumienhaftes Gesicht erleuchtet, sendet er keinem nach.
Der Samurai stößt einen Schrei aus und es ist, als ob glühende Lava seinem weit aufgerissenen Mund entquelle, und er beugt sich halb stehend über das Haupt seines Pferdes, dessen Stirn einen sternförmigen Fleck hat und dessen große schwarze Augen seitwärts rollen, und der Schnee ihres verborgenen Inneren erglänzt; der Reiter aber ist wie ein aus dem schwarzen Wehen der Mähne plötzlich emporgetauchter Dämon, die tierische Seele des Schnaubens, Wieherns, sich Bäumens.
Der Mönch nimmt einen Schluck aus dem rohen Krug, den er mit dem bitteren Wasser des Brunnens gefüllt hat, und schlurft in den leeren Abend einer Einsamkeit, die schärfer ist als die Sichel des sinkenden Monds, schwärzer als der Saum des Walds, härter als der Kieselstein, der ihm die Ferse ritzt.
Der Samurai hockt mit seinen Kumpanen um ein loderndes Feuer, aus dem das Fett eine Lammes spritzt, das sie aus dem rauchenden Stall eines angezündeten Gehöfts gezerrt haben; nahebei dringt aus dem dämmernden Röhricht des Ufers das Stampfen der Pferde, und die Glut ihrer großen Herzen dampft in hellen Dünsten aus dem Fell. Über das weiße Gitter seiner harten Zähne rinnen bronzene Tropfen verschütteten Weins in das Dickicht des Barts, und die Lippen des Samurais sind voller Blut, wenn er singt.
Der Mönch kaut langsam und leeren Blicks seinen nassen Reis, den ihm die junge Bäuerin mit ihrem fleischig-nackten Arm gab, doch er sah nur die Ader in der Beuge, die wie eine dunkle Prophezeiung anschwoll, dazu zwei geröstete Fische, und er nimmt einen davon und wirft ihn der Katze hin, der einzigen Gefährtin dieser trostlosen Nacht.
Die Ringeltaube, die auf dem bemoosten Gemäuer leise gegurrt hat, und ihr kleiner Kopf ruckte rhythmisch auf und nieder, liegt ein blutiger Kadaver unter dem Schnabel der Krähe, die bedächtig feine helle Röhren aus dem Gedärm des Leichnams zieht. Der Samurai schnarcht neben der erlöschenden Glut des Feuers, schwere Regentropfen fallen herab und die aufsprühende Glut gießt ihm über das schwarze Blattwerk der herabgefallenen Locken und die breite Stirn den roten Gischt eines quälenden Traums.
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Man erzählt, der Samurai und der Bettelmönch seien sich, als der Niedergang des Shoguns sich wie Mehltau auf das Land und seine Bewohner legte, an einem Kreuzweg begegnet; der Trupp der alten Krieger schlug sich beherzt, aber vergebens mit den frisch ausgehobenen Soldaten der neuen kaiserlichen Armee. Die einen sagen, der Samurai sei, durch einen Flintenschuß schwer verletzt, auf einer Bahre an dem Mönch vorbeigetragen worden. Als der nun sah, daß der Verwundete im Sterben lag, sei er geradewegs auf ihn zugeschritten und habe ihm die Lider der noch immer verzweifelt in das ferne Flackern der Sterne starrenden Augen mit einer leichten Geste zugedrückt, wie es der Meister des Tones macht, der an der schon vollendeten Büste mit angefeuchtetem Finger den sehenden Blick wieder schließt, um dem Antlitz die Anmut des Schlafs zu verleihen.
Andere dagegen sagen, wohl sei es wahr, daß der Samurai und der Mönch sich am Rande der Entscheidungsschlacht begegnet seien; doch habe der verwundete Krieger auf der Bahre, als er des Mönches gewahr wurde, wie er sich mit dem bleichen Antlitz der Auszehrung über ihn beugte, ihn für einen Feind erkannt und im Aufbäumen letzter Lebenskraft die schweren Hände gleich unaufhaltsamen Tentakeln eines Kraken um seinen Hals geschlungen und ihn erwürgt.
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