Rabindranath Tagore, Fireflies 141–180
141
God loves to see in me, not his servant,
but himself who serves all.
142
The darkness of night is in harmony with day,
the morning of mist is discordant.
143
In the bounteous time of roses love is wine,—
it is food in the famished hour
when their petals are shed.
144
An unknown flower in a strange land
speaks to the poet:
‘Are we not of the same soil, my lover? ‘
145
I am able to love my God
because He gives me freedom to deny Him.
146
My untuned strings beg for music
in their anguished cry of shame.
147
The worm thinks it strange and foolish
that man does not eat his books.
148
The clouded sky to-day bears the vision
of the shadow of a divine sadness
on the forehead of brooding eternity.
149
The shade of my tree is for passers-by,
its fruit for the one for whom I wait.
150
Flushed with the glow of sunset
earth seems like a ripe fruit
ready to be harvested by night.
151
Light accepts darkness for his spouse
for the sake of creation.
152
The reed waits for his master’s breath,
the Master goes seeking for his reed.
153
To the blind pen the hand that writes is unreal,
its writing unmeaning.
154
The sea smites his own barren breast
because he has no flowers to offer to the moon.
155
The greed for fruit misses the flower.
156
God in His temple of stars
waits for man to bring him his lamp.
157
The fire restrained in the tree fashions flowers.
Released from bonds, the shameless flame
dies in barren ashes.
158
The sky sets no snare to capture the moon,
it is her own freedom which binds her.
The light that fills the sky
seeks its limit in a dew-drop on the grass.
159
Wealth is the burden of bigness,
Welfare the fulness of being.
160
The razor-blade is proud of its keenness
when it sneers at the sun.
161
The butterfly has leisure to love the lotus,
not the bee busily storing honey.
162
Child, thou bringest to my heart
the babble of the wind and the water,
the flower’s speechless secrets, the clouds’ dreams,
the mute gaze of wonder of the morning sky.
163
The rainbow among the clouds may be great
but the little butterfly among the bushes is greater.
164
The mist weaves her net round the morning,
captivates him, and makes him blind.
165
The Morning Star whispers to Dawn,
‘Tell me that you are only for me.’
‘Yes,’ she answers,
‘And also only for that nameless flower.’
166
The sky remains infinitely vacant
for earth there to build its heaven with dreams.
167
Perhaps the crescent moon smiles in doubt
at being told that it is a fragment
awaiting perfection.
168
Let the evening forgive the mistakes of the day
and thus win peace for herself.
169
Beauty smiles in the confinement of the bud,
in the heart of a sweet incompleteness.
170
Your flitting love lightly brushed with its wings
my sun-flower
and never asked if it was ready to surrender its honey.
171
Leaves are silences
around flowers which are their words.
172
The tree bears its thousand years
as one large majestic moment.
173
My offerings are not for the temple at the end of the road,
but for the wayside shrines
that surprise me at every bend.
174
Your smile, my love, like the smell of a strange flower,
is simple and inexplicable.
175
Death laughs when the merit of the dead is exaggerated
for it swells his store with more than he can claim.
176
The sigh of the shore follows in vain
the breeze that hastens the ship across the sea.
177
Truth loves its limits,
for there it meets the beautiful.
178
Between the shores of Me and Thee
there is the loud ocean, my own surging self,
which I long to cross.
179
The right to possess boasts foolishly
of its right to enjoy.
180
The rose is a great deal more
than a blushing apology for the thorn.
Glühwürmchen 141–180
141
Gott liebt es, in mir nicht seinen Diener zu sehen,
sondern sich selbst, der allen dient.
142
Die Dunkelheit der Nacht steht im Einklang mit dem Tag,
der Morgennebel ist ein Mißton.
143
In der üppigen Rosenzeit ist die Liebe Wein –
sie ist Brot in den Hungerstunden,
wenn die Blüten am Boden liegen.
144
Eine unbekannte Blume in einem fremden Land
sagt zum Dichter:
„Entstammen wir nicht derselben Erde, mein Geliebter?“
145
Ich bin fähig, Gott zu lieben,
denn Er schenkt mir die Freiheit, Ihn zu verleugnen.
146
Meine ungestimmten Saiten betteln um Wohlklang,
wenn sie schmerzlich schrillen vor Scham.
147
Der Wurm hält es für seltsam und töricht,
daß der Mensch seine Bücher nicht ißt.
148
Der bewölkte Himmel zeigt heute
den Schattenriß göttlicher Trauer
auf der Stirne brütender Ewigkeit.
149
Der Schatten meines Baumes gehört den Vorübergehenden,
seine Früchte dem einen, auf den ich warte.
150
Das Licht nimmt die Dunkelheit als Braut auf,
um der Schöpfung willen.
151
Überronnen von Sonnenglut
gleicht die Erde einer reifen Frucht,
bereit, am Abend gepflückt zu werden.
152
Das Schilfrohr wartet auf den Atem des Meisters,
der Meister ist auf der Suche nach seinem Schilfrohr.
153
Für die blinde Feder ist des Schreibers Hand ein Schemen,
und was er schreibt, bedeutungslos.
154
Das Meer peitscht seine öde Brust,
denn sie entbehrt der Blumen für den Mond.
155
Der Gier nach Früchten fehlt die Blume.
156
Gott wartet in seinem Sternentempel
auf den Menschen, daß er ihm seine Lampe bringe.
157
Das im Baum gestaute Feuer formt die Blüten.
Der Fesseln ledig stirbt die schamlose Flamme
in unfruchtbaren Aschen.
158
Der Himmel legt keine Schlinge aus, um den Mond zu fangen,
in voller Freiheit gibt er sich ihm hin.
Das Licht, das den Himmel ganz erfüllt,
sucht seine Grenze in einem Tautropfen im Gras.
159
Reichtum ist die Last der Größe,
Wohltun die Fülle des Seins.
160
Die Rasierklinge prahlt mit ihrer Schärfe,
wenn sie der Sonne höhnt.
161
Der Schmetterling in seinem Müßiggang liebäugelt mit dem Lotus,
die Biene hat dazu keine Zeit, sie sammelt Honig.
162
Du bringst zu meinem Herzen, Kind,
den Schaum des Windes und das Wasser,
das wortlose Geheimnis der Blume, die Träume der Wolken,
den stummen Wunderblick des Morgenhimmels.
163
Der Regenbogen zwischen den Wolken ist wohl groß,
doch der kleine Schmetterling im Gebüsch ist größer.
164
Der Nebel webt sein Netz um den Morgen,
fängt ihn ein und macht ihn blind.
165
Der Morgenstern flüstert zum Morgenrot:
„Gestehe, daß du mir ganz gehörst.“
„Ja“, antwortet es,
„und ganz auch jener namenlosen Blume.“
166
Das hohe Blau steht offen ohne Grenzen,
damit die Erde ihren Himmel dort aus Träumen baue.
167
Vielleicht lächelt der zunehmende Mond, bezweifelnd,
was man ihm erzählte, ein Bruchstück sei er bloß,
das der Vollendung harrt.
168
Laß den Abend die Fehler des Tages verzeihen
und so Frieden finden für sich selbst.
169
Schönheit lächelt, eingeschlossen in der Knospe,
im Herzen einer süßen Unvollkommenheit.
170
Deine flatterhafte Liebe hat mit ihren Flügeln
meine Sonnenblume leicht gestreift
und nie gefragt, ob sie ihren Honig spenden wolle.
171
Blätter sind das Schweigen um die Blumen,
Blumen sind ihr Wort.
172
Der Baum trägt seine tausend Jahre
wie eines langen Augenblicks Erhabenheit.
173
Meine Opfergaben sind nicht bestimmt für den Tempel am Ende der Straße,
sondern für die Schreine am Wegesrand,
die mich bei jeder Biegung überraschen.
174
Dein Lächeln, meine Liebe, ist wie der Duft einer fremden Blume,
schlicht und geheimnisvoll.
175
Der Tod lacht, wenn das Verdienst des Toten aufgebauscht wird,
denn seine Hallen füllen, an die er nicht heranreicht.
176
Der Seufzer der Küste folgt vergeblich
dem Wind, der das Schiff über die Wogen jagt.
177
Die Wahrheit liebt ihre Grenzen,
denn an ihnen begegnet sie dem Schönen.
178
Zwischen den Küsten von Ich und Du
tobt der Ozean, die Wogen meines Selbst,
dich ich durchqueren möchte.
179
Das Recht auf Besitz brüstet sich voll Torheit
mit dem Recht auf Genuß.
180
Die Rose ist weit mehr
als die errötende Entschuldigung für den Dorn.
Comments are closed.