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Das heimliche und das unheimliche Leben

17.09.2016

Wahrhaftig, es ist dir nicht stets
hinterhergetrottet, wedelnd
wie ein treues Hündchen –
bisweilen hat es sich jäh
umgewandt und fletschend
dich angeknurrt.

Doch ohne die unheimliche Macht
leiser oder jäher Verwandlung
wärʼs nur eine eitle Puppe
mit ewig stupidem Lächeln,
ausgestopft mit dem Vlies
zerrrupfter Empfindung,
und mit gläsernen Augen,
in denen sich das Gespenst
deiner Abwesenheit spiegelt.

Hat es dir nicht einmal
aus den braunen Strudeln des Traums
die weiße Hand einer Ertrinkenden
entgegengestreckt –
und du warst zu müde, zu kraftlos,
zu unentschlossen, sie zu ergreifen
und euch ans Ufer
eines von Krokus erhellten
Erwachens zu ziehen?

Du hast es,
einen aus dem Nest gefallenen Zeisig,
in der Voliere gefüttert,
du hast ihn mit dem Finger
geneckt und gekrault,
ihm deine innigste Weise vorgesummt –
doch er wollte nicht singen.

Aber einmal,
als du dich in das warme Rauschen
der Halme geschmiegt,
kam es, ein Lamm,
leise heran, und leckte dir bedächtig
die salzige Wange.

Oder du lagst, wie einst,
gekrümmt im Schilf
am Ufer der Mosel,
und im Halbschlaf hörtest du
aus dem Glucksen des Wassers
die hellen Stimmen der Kinder:

„Schlafe, schwimme,
träume mit uns,
fühle, die Woge ist weich,
schlafe, träume,
komm, gleite mit uns
in das friedliche Muschelreich.“

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