Orgasmus der Seele
Richard Wagner, Walküre, I. Akt, „Winterstürme wichen dem Wonnemond“
Verläuft der seelische wie der sexuelle Orgasmus allmählich anschwellend, und bei mutwillig verküsster Trödelei …
auf stiller Wiese hin- und herspringend wie ein Eichhörnchen, das für seine Nuss das unauffindbare Versteck sucht und da und dort sie verscharrt, wieder ausbuddelt und ans andere Ende flieht …
steigt er an, um wild aufschluchzend aufzuspringen, als würde das Selbstgefühl jäh umgestülpt wie ein Handschuh …
um endlich lose auszufransen als lange, sehr dünne, fiedrige Fetzen, von launigen Winden hin- und hergeblasen, auf- und niederwehend …
oder wie das gleichsinnige Trommeln von Regentropfen auf dem Blechdach einer Hütte, in der du langgestreckt liegst und dich in die Abwesenheit hineinhörend verlierst?
Ist es so … so?
Oder öffnet er wie Siegmund sich die Schwester, als würden Sonnenblicke sanft Blütenblätter auffingern …
wird er ausgelöst mit dem süßen Quetschen des ganzen Daseins nach seitwärts, wie wenn du den umfassten Kopf der Geliebten in Zärtlichkeitswut beiseite drückst …
und es öffnet sich dir eine ungeahnte Stelle, ein fremder Mund …
wie ein Arom aus südlicher Nacht fließt etwas ein, das dich beseligt und schmerzt, dich tötet und wieder verlebendigt im gleichen Moment …
und du stößt plötzlich auf eine hohe Schwelle wie ein steuerlos treibendes Schiff harsch quietschend gegen eine Klippe schrammt …
und unabwendbar wirst du von zauberkräftigen Armen hinan-, hinauf-, hinübergehoben …
und du gehst, stehst, liegst nicht mehr, du schwebst über einem unendlichen Abgrund, sicher gehalten wie ein Erhängter vom Strick …
und deine ganze entblößte Haut hört, hört und versteht …